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Ein Witz wird wahr

Der Albtraum einer jeden Kassiererin


Kennt ihr eigentlich den schlechtesten Witz, den man einer Kassiererin erzählen kann?


Ihr kennt ihn bestimmt, habt ihn vielleicht sogar selber schon einmal gebracht. Nein, es ist nicht der Witz mit der Frage nach dem Plastiksack.* Auch wenn der zugegeben die Messlatte sehr tief setzt.


Die beeindruckende AUswahl an Zahnhygieneartikel eines Mittelgrossen Monoprix.

Stellt euch bitte folgende Situation vor:

Samstagmorgen um 12:36 Uhr in der Migros in Reinach (ich sage "Morgen", weil ich bis um 4 Uhr noch feiern war und eigentlich noch im Bett sein sollte). Der Lärmpegel ist höher als gestern im Club, die Schlange anstehender Menschen ist lang, die Motivation klein und zu allem Übel ist auch noch Migrosmania-Zeit. Ihr wisst schon, die Zeit in der ihr von der Kassiererin immer gefragt werdet, ob ihr noch irgendeinen nichtrecycelbaren, unnötigen Plastikschrott für Kinder sammeln wollt. Und natürlich kommt genau jetzt eine Kundin an meine Kasse, die nicht weiss, was dieses Mania ist und wie das funktioniert und überhaupt. Aber wir Kassiererinnen erklären es Ihnen gerne, ausführlich und beantworten auch noch alle Fragen, obwohl Sie absolut nicht die Zielgruppe sind und hinter Ihnen Menschen mit vollen Einkaufswagen bis hinten zu den Pflästerli anstehen. Ausserdem ist es ja nicht so, dass es schon das neunte Mal dieses Jahr etwas zum Sammeln gibt. Aber es ist halt schon schwer, sich zu merken, dass es erst ab 20 Fr. so ein Teil gibt. Und sowieso, wenn Sie das Migros-Magazin nicht lesen, sind Sie nicht genug Fan von der Migros und wollen vermutlich auch nichts sammeln. Also sagen Sie doch einfach "Nei, merssssi" und gehen, damit ich endlich zum nächsten Kunden kommen kann, der dann den Witz erzählen wird, um den es in dieser Geschichte überhaupt geht!


Aber das dürfen wir halt alles nicht sagen und so erklären Kassiererinnen in der Migros immer alles geduldig und lassend ihren Frust dann erst zu Hause raus. Oder zumindest die Kassiererin in der Hauptrolle dieser Geschichte. (Sorry Mami, sorry Papi, sorry Pasci.) Man hat halt nur ein begrenztes Kontingent an Freundlichkeit pro Tag zur Verfügung und wenn dann jeder dritte Kunde nach den Mania-Teils fragt und jeder vierte Kunde noch diesen blöden Spruch bringt, ist oft am Abend nichts mehr von der Freundlichkeit für Smalltalk übrig.


Nachdem die Kundin sich also gegen das Sammeln der Animancas entschieden hat und tageszeitgemäss verabschiedet wurde, kommt endlich der lustige Kunde dran. Er ist meist um die fünfzig Jahre alt, hat einen Schnauz (wie es sich für lustige Männer gehört) und ist gut gelaunt, weil er eigentlich nur am Samstag mit seiner Frau einkaufen geht, um Bekannte zu sehen und mit denen zu schnörren. Sind wir doch ehrlich: am Samstag geht es in der Migros nicht ums Gurken und Rüebli einkaufen, sondern ums Sehen und Gesehen werden. Er wirkt also auf jeden Fall gesellig und viel zu gut gelaunt.


Das Kassenhandbuch, das jede Kassiererin an ihrem Trainingsmorgen erhält, sagt einem klipp und klar, wie so ein Zahlungsvorgang ablaufen soll und so bracht man dafür nicht viel Kreativität:


  1. Augenkontakt herstellen

  2. Den Kunden alters- und tageszeitgemäss Begrüssen: Grüüüeziiiii

  3. Artikel einscannen.

Salami - BIPP

Lyoner - BIPP

Schweins-Entrecôte - BIPP

Chnobbli-Butter - BIPP

(Der sollte besser auf seinen Cholesterinspiegel achten...)

Berner Ankezüpfe - BIPP

6er-Pack M-Budget Wasser - hauruck - BIPP

Cherry Tomätli -



Und da taucht dann das Problem auf:

auch nach drei Mal drehen und wenden kann ich der Kasse immer noch kein BIPP entlocken! Ne-he-he-eiiiin! Der Kunde, der meine Arbeit genauestens beobachtet hat, während seine Frau die Ware in IKEA-Tüten verpackt, sieht mein Scheitern, spürt instinktiv meine Verzweiflung und sagt folgenden Satz:


Ah, isch das demfall gartis, he?


Ich zwinge mich zu einen "Hehe", das anscheinend viel zu überzeugend klingt, denn es wird noch nachgedoppelt:


Aso mir nähnds sösch scho gratis, wenns ned goht, hahaha.


Natürlich habe ich noch nie einem Kunden mit vor Ironie triefendem Tonfall gesagt: „Wow, das ist aber ein toller Witz. Sind Sie da ganz alleine darauf gekommen? Also so ganz alleine? Der ist aber originell! Sie sollten den dem Blick am Abend schicken oder gar Comedian werden! So was Lustiges habe ich ja noch nie gehört." - Aber ich denke es jedes Mal, während ich höflich sagte:


Hehe, nei, das goht leider ned. Ich muess nor schnell zom Gmües hindere, es neus go hole.


Nun haben sich die Chefs vom Simply Market anscheinend überlegt, dass es schon noch cool wäre, wenn Artikel mit einem kaputten Strichcode tatsächlich gratis wären. Wenn man schon nicht durch freundliches oder kompetentes Personal glänzt, dann könnte man die Kunden ja vielleicht mit der Möglichkeit auf gratis Artikel ködern. Wer bekommt schon nicht gerne eine gratis Peperoni? So staunte ich also nicht schlecht, als eines Morgens aus dem Lautsprecher erklang, dass Artikel gratis seien, wenn der Strichcode nicht gelesen werden könne. Und nein, ich habe das nicht falsch verstanden, denn mein Französisch ist Mittlerweile ziemlich gut und die Bandansage war ziemlich langsam, damit auch Menschen mit Migrationshintergrund (wie ich) , die anscheinend die Hauptzielgruppe von Simply sind, verstehen, wenn es etwas gratis gibt. Keine Ahnung, wie sie das umsetzen wollen, aber ich arbeite ja nicht da und die Schlange ist sowieso immer sehr lang... also viel Spass.




Gestern war übrigens mein letzter Arbeitstag in Paris und ich habe jetzt Ferien bis am 24. April. Da ich quasi aus meiner WG in Bern geworfen wurde, werde ich also am 15. April wieder zu meinen Eltern ziehen und da macht es halt schon Sinn, sich eine Stelle in der Nähe zu suchen. Um Miet- und Transportkosten zu sparen, eignet sich diese Lösung sicher am besten und so beginne ich am Montag, 25. April wieder damit, Deutsch als Zweitsprache in zwei Kindergärten in Menziken unterrichten. Es ist leider kein 100%-Pensum, aber vielleicht ist das gar nicht so schlecht, schliesslich habe ich hier auch mehr Freizeit als Arbeitszeit gehabt und so ein drastischer Wechsel von Null auf Hundert gepaart mit dem Kulturschock, könnte mich leicht überfordern. Das versuche ich mir zumindest einzureden.


Vor mir liegen also noch genau zwei Wochen in meiner Lieblingsstadt, die ich richtig zu geniessen plane. Bis bald…


Eure Michelle



P.s.: Fangt ruhig schon mal an, meine Überraschungs-Welcome-Back-Party zu planen.





*Witz:

Kundin an der Kasse: Händ Sie vellech en Plastiksack?

Kassierer: Goht doch Sie nüt a, ich froge au ned, öb sie en Silikonbuse händ.


Haha.


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