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Die spinnen, die Pariser! - weshalb ich lieber nicht in eine WG ziehe

Die Wohnungssuche in Paris ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, nur dass man nicht sicher ist, ob es denn die Wohnung überhaupt gibt. Eigentlich wollte ich ja nach Paris in eine WG ziehen, um gleich von Anfang an sozialen Anschluss zu finden, aber auf appartager.com findet man meist nur Menschen, zu denen man lieber keinen Anschluss erstellen möchte.



Zum einen gibt es da den Typ „Schmieriger Businessmann Mitte 40“, der eine schöne Altbauwohnung im Zentrum anbietet, die mit nach barock aussehenden Möbeln ausgestattet ist und erst noch einen Kamin im Wohnzimmer mit Kronleuchter hat. Und das auch noch für einen verdächtig günstigen Preis. Doch wenn man die Wohnungsfotos bis zu Ende anschaut, lächelt einem plötzlich der potenzielle Mitbewohner entgegen, mit seinem „Schmieriger-Businessmann-Lächeln“. Schaut man sich dann die Beschreibung der Wohnung genauer an, stellt man fest, dass er nur weibliche Mitbewohner zwischen 18 und 24 Jahren sucht. Schickt einem besagter Typ dann auch noch eine persönliche Nachricht, um auf seine Annonce - die man als junge Frau zwischen 18 und 24 natürlich nicht in Betracht gezogen hat - hinzuweisen, steht darin meist etwas wie: „Dein Foto ist sehr ansprechend und sympathisch und ich würde dich gerne näher kennen lernen, adde mich doch auf Facebook“. Natürlich auf Französisch. Und meist mit Rechtschreibfehlern. Was denken sich solche Männer? Warum sollten sie mit einer 18- bis 24-jährigen zusammenwohnen wollen? Geht doch auf Tinder, Lovoo oder von mir aus auch Badoo, wenn ihr Frauen zum Flirten sucht. Wäre ich verzweifelt genug, in so eine WG zu ziehen, würde ich wohl mit einer versteckten Kamera im Badezimmer rechnen.


Dann gibt es den Typ „Armer Künstler Ü30“, der sich Fotograf oder Theaterregisseur nennt und sein viel zu Kleines 10m2 Studio noch untervermieten will. Einige werden sich jetzt denken, „Wo bleibt denn die Privatsphäre, wenn man 10m2 mit einem fremden Menschen teilt?“. Deshalb wird im Beschrieb auch darauf hingewiesen, dass die Privatsphäre gewährt sei, indem der Besitzer unten auf dem Sofabett schlafe und die neue Mitbewohnerin auf dem Hochbett übernachten könne, unter dem sich die „Küche“ (2 Herdplatten, ein Kühlschrank und ein Lavabo) befindet. Klingt verlockend, ich weiss. Aus Erfahrung kann ich euch aber sagen, dass 10m2 schon für zwei Menschen die sich kennen und mögen verdammt eng sind. Man könnte vielleicht denken, dass irgendein ganz, ganz armer Mensch diese Wohnsituation tatsächlich in Betracht ziehen würde, aber für die Untermiete wird natürlich die Hälfte der Miete berechnet und somit müsste man für die völlige Aufgabe seiner Freiheit und Privatsphäre auch noch über 500€ bezahlen.


Etwas weniger beengt lebt man mit dem „Sozialen Studenten“, der eine helle Zweizimmerwohnung mit dir teilen möchte. Als Mitbewohner sucht er natürlich auch eine weibliche Person zwischen 18 und 24, was aber weniger beunruhigend ist, weil er selbst zumindest auch U30 und Student ist und eine Zweizimmerwohnung hat, weshalb es finanziell und platzmässig irgendwie Sinn macht, dass er in einer WG leben will. Der soziale Student teilt gern: er preist an, das man die tolle, komplett eingerichtete Küche gemeinsam nutzen könne, dass das Wohnzimmer und das Bad beiden zu Verfügung stehe. Ja, er teilt sogar so gerne, dass seine neue Mitbewohnerin bei ihm im grossen Doppelbett im Schlafzimmer schlafen darf. Dies teilt er in einem Nebensatz zu unterst in der Beschreibung mit, als wäre es das normalste auf der Welt, in einer WG auch das Bett zu teilen. Nennt mich verklemmt, aber mit fremden Männern teile ich nicht das Bett, erst recht nicht über 6 Monate hinweg, auch nicht wenn man sich bei dieser Art des Zusammenlebens spätestens nach 2 Wochen ziemlich gut kennt.


Die „Öko-Tante“ hat pro Quadratmeter Wohnfläche mindestens zweit Topfpflanzen in ihrer Wohnung, ist Ü40 und kündigt bereits im Beschrieb an, dass sie für Stromverschwender kein Verständnis und somit eine Nulltoleranz gegenüber brennenden Lichtern in unbenutzten Räumen hat. Selbstverständlich wird alles recycelt, die Möbel sind aus der Brockenstube (aber im negativen Sinne) und man kann den Kompost in der Küche bereits beim Betrachten des Bildes riechen. Muss ich überhaupt noch erwähnen, dass sie sich vegan ernährt und höchstens Vegetarier noch als Mitbewohner in Frage kommen?


Und dann gibt es da noch unzählige Annoncen ohne Bild mit einer nichtssagenden oder unglaubwürdigen Beschreibung. Einige versuchen den Mangel an Bildern mit blumigen Beschreibungen zu kompensieren: „wunderschönes, grosses, lichtdurchflutetes Zimmer mit Blick über die Dächer von Paris, möbliert, in sauberer, guteingerichteter Dreizimmerwohnung an zentraler Lage“. Klingt zwar super, aber wenn das Zimmer so schön ist, hätte man ja ein Foto machen können. Sogar Senioren, die ein Zimmer bei sich vermieten, schaffen es, Fotos davon hochzuladen.

Findet man dann tatsächlich mal ein Angebot mit ansprechenden Bildern, einem Beschrieb der einen anspricht und Mitbewohnern, die einen Sinn für Privatsphäre haben, Wert auf Sauberkeit legen und auch sonst nach Menschen mit normalem Verstand klingen, dann ist die WG entweder weit ausserhalb der Stadt oder sie suchen jemanden, der älter als 26 Jahre alt ist und ein richtiges Einkommen hat. Mist.


Appartager.com hat es gut mit mir gemeint und mir ein 3-tägiges Premiumabonnement geschenkt, was es mir erlaubt hätte, mich sofort auf neue Annoncen zu bewerben, anstatt wie die Standardnutzer erst 7 Tage warten zu müssen. Dies hatte aber leider auch zur Folge, dass mir all die Wahnsinnigen eine Nachricht senden konnten, um mir mitzuteilen, wie gut ich doch in ihre Abstellkammer von einem Zimmer passen würde, oder dass sie gerne ihr Kellerloch mit wir teilen würden. Mein Posteingang war noch nie so voll, wie in den letzten drei Tagen und trotzdem habe ich keine passende WG gefunden. Vielleicht bin ich einfach zu anspruchsvoll oder zu wenig französisch, aber ich werde wohl lieber alleine wohnen.

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